Text von Pierre Sollier, MFT
Übersetzt von Martina Killmayer
Tomatis bereicherte das
Leben von vielen hunderttausend Menschen
Dr.Tomatis
legte den Grundstein für eine neue multidisziplinäre Wissenschaft, die
Audio-Psycho-Phonologie (APP). Sie erklärt , warum „ die Art, wie wir
zuhören“ einen grundlegenden Einfluß auf fast alle Aspekte unseres Daseins
hat. In den frühen 50er Jahren entdeckte Tomatis auch, daß
Hörwahrnehmungsprobleme die Ursache vieler Lernstörungen sind.
Tomatis
entwickelte eine höchst effektive Technik, um sie zu behandeln. Dank
dieser revolutionären Entdeckungen bereicherte er das Leben von vielen
hunderttausend Kindern und Erwachsenen.
|
|
Dr.
Tomatis Alfred |
Dr.Alfred Tomatis
wurde am 1.Januar 1920 in Nizza (Frankreich) geboren und starb am 25. Dezember
2001. Als er elf Jahre alt war, zog er zu seinem Vater nach Paris und wurde
Hals-Nasen-Ohrenarzt. Nach dem zweiten Weltkrieg begann er den Einfluß von
beruflicher Lärmbelastung zu untersuchen. Was er herausfand war revolutionär.
In Anerkennung seiner Entdeckungen bekam er 1951 die Ritterwürde für die
Öffentliche Gesundheit in Frankreich verliehen. Später bekam er die Goldmedaille
für Wissenschaftliche Forschung (Brüssel 1958).
Tomatis hat viel
veröffentlicht, 14 Bücher und zahlreiche Artikel, davon sind drei Bücher auch
im Deutschen erschienen. Im Anhang finden Sie eine Bibliographie.
Tomatis hat in
der ganzen Zeit viele berühmte Menschen behandelt. Die meisten wollten anonym
bleiben, aber manche haben sich auch öffentlich dazu bekannt. Dazu gehören Maria
Callas, Romy Schneider und Gerard Depardieu. Er gründete Tomatis-Zentren in der
ganzen Welt. Es gibt auch einige Zentren in Europa, deren Adressen Sie auf
dieser Webseite finden.
|
Die Tomatis-Gesetze
|
Bei der
Beobachtung von Menschen, die fortwährend Lärm ausgestzt worden waren, fand
Tomatis heraus, daß unsere Stimme die Frequenzen nicht
enthält, die unsere Ohren nicht hören können. Dieses nennen wir das
erste Tomatis-Gesetz. Wie wir sehen werden, sind die Auswirkungen dieses
einfachen Gesetzes weitreichend.
Tomatis liebte es
zu experimentieren. Einmal blockierte er die Ohren eines berühmten Sängers,
indem er nur bestimmte Frequenzen passieren ließ. Fast unmittelbar
verschlechterte sich die Stimme: die „blockierten Frequenzen“ verschwanden aus
der Stimme. Auf der Basis dieser Entdeckung formulierte Tomatis sein zweites
Gesetz: wenn wir das Hören verändern, verändert sich
die Stimme sofort und unbewußt.
Eine andere interessante Entdeckung war,
daß einige Opernsänger eine berufsbedingte Taubheit entwickelten und in der
Folge dann ihre Stimme verloren. Sie schädigten ihr Gehör, indem sie zu laut
sangen. Genauer gesagt entwickelten sie eine „Taubheit“ für die Frequenzen im
Bereich um 2000 Hz. Wie vom ersten Tomatis-Gesetz beschrieben, fehlten in ihrer
Stimme die Frequenzen um 2000 Hz.
Tomatis` Vater, der selbst ein bekannter
Opernsänger war, drängte seinen Sohn, Techniken zu finden, die seinen Kollegen
helfen würden. Tomatis forschte intensiv nach, warum die Opernsänger diese
berufsbedingte Taubheit entwickelten. Er kam zu dem Ergebnis, daß konstante
starke Lärmbelastung die Muskeln im Mittelohr erschlaffen läßt, sodaß die lauten
Töne das Innenohr nicht erreichen. Was für eine wunderbare Abwehrreaktion! Wenn
das der Fall wäre, müßte man das Gehör ( und damit die
Stimme) eines Menschen wiederherstellen können, indem man diese Muskeln
wieder ausbildet (drittes Tomatis-Gesetz). Wir alle wissen,
wie man Muskeln stärker macht : man trainiert sie. Aber wie lassen sich die zwei
kleinsten Muskeln des Körpers trainieren ?
Nach vielen Experimenten fand Tomatis
heraus, daß diese Muskeln gestärkt werden können , wenn man Musik hört, die
kontinuierlich an- und abgeschaltet wird. Die Muskeln müssen dann immer wieder
anspannen und entspannen, und damit werden sie stärker. Sein erster Prototyp
einer Maschine dafür bestand aus einer alten Nähmaschine, mit der man aus- und
einschalten konnte. Später fand er heraus, daß man den Prozeß beschleunigen
konnte, indem man die Musik nicht aus- und einschaltete, sondern zwischen zwei
Kanälen wechselte: einem Kanal , in dem man die tiefen Frequenzen verstärkt ,
und einem Kanal mit verstärkten hohen Frequenzen. Diese „Wechselschaltung“
ist eine der Funktionen der Maschine, die er entwickelte, und die er
das Elektronische Ohr nannte.
|
Hören
und Lernen |
Die Verbindung zum Lernen entstand, als
er realisierte, daß jede Sprache einen bestimmten Bereich von Frequenzen
benutzt. Das Französische bewegt sich zum Beispiel hauptsächlich zwischen 1000
und 2000 Hz. Französiche Ohren sind demnach hauptsächlich an diese Frequenzen
gewöhnt. Engländer sind daran gewöhnt, Frequenzen zwischen 2000 und 12000 Hz zu
hören, sie sind also gewissermaßen taub für die französischen Laute ( und
umgekehrt gilt das auch). Deshalb ist es so schwierig, eine Fremdsprache zu
lernen. Tomatis fand heraus, daß man das Ohr trainieren kann, sich an die
Frequenzen der Femdsprache zu gewöhnen, und daß man dann die Sprache viel
leichter lernen kann. Man kann also sagen: um zu
lernen, muß man zuhören (horchen) können.
Die Entdeckung , daß das Horchen der
Schlüssel zum Lernen ist, eröffnete einen ganz neuen Forschungsbereich. Tomatis
fragte sich, ob es einen Unterschied machen würde, mit welchem Ohr man horcht.
Die meisten Menschen denken, daß unsere beiden Ohren gleich sind und gleiche
Funktionen haben, was bei weitem nicht stimmt. Tomatis
fand heraus, daß Menschen mit einem dominanten rechten Ohr viel
leichter lernen. Dieses hat einen neurologischen Grund.
Das rechte Ohr ist verbunden mit der linken Gehirnhälfte, in
der Sprache verarbeitet wird. Das ist eine schnelle und genaue Verbindung.
Dagegen ist das linke Ohr mit der linken Gehirnhälfte verbunden, wo Sprache
nicht verarbeitet werden kann. Die Signale müssen von dort über das Corpus
Kallosum auf die linke Seite geleitet werden. Dieses ist nicht nur eine
langsamere Verbindung, sondern auch eine nicht so verläßliche. Dabei gehen
einige der hohen Frequenzen verloren, und diese sind der Schlüssel zur richtigen
Interpretation der Sprache. Zum Beispiel unterscheiden sich „b“ und „p“ nur
durch die höheren Frequenzen voneinander, und jemand mit einem dominanten linken
Ohr muß oft aus dem Kontext erraten, was gemeint war. Dieses führt zu
Verzögerungen und Irrtümern. Deshalb veränderte
Tomatis sein elektronisches Ohr, sodaß er Menschen trainieren konnte, ein
dominantes rechtes Ohr zu entwickeln und leichter zu lernen.
Wenn Horchen der Schlüssel zum Lernen
ist, dann ist es auch wichtig , alle Frequenzen des Hörbereichs wahrnehmen zu
können. Auf der Basis von vielen Hörtests kam Tomatis zu der Erkenntnis, daß
Menschen mit einer „idealen Hörkurve“ leichter lernen. Um die Hörkurve eines
Menschen zu verbessern, benutzen wir die
Wechselschaltung und gefilterte Musik.
Indem wir nur bestimmte Frequenzen
passieren lassen, können wir selektiv die Bereiche der Hörkurve trainieren, die
gestärkt werden müssen. Also veränderte Tomatis sein elektronisches Ohr noch
einmal und stattete es mit acht Hochfrequenzfiltern aus. Mit diesem neuen Gerät
verbesserten sich die Hörkurven seiner Klienten und damit auch ihr Lernen.
Tomatis beobachtete aber auch etwas
Erstaunliches. Die Menschen lernten nicht nur besser,
sie bekamen auch mehr Energie, weil sie die hohen Frequenzen
besser hörten. Im Innenohr gibt es mehr Rezeptoren (Corti`sche Zellen) für hohe
als für tiefe Töne. Hohe Frequenzen übertragen mehr auditorische Informationen
an das Gehirn und stimulieren es mehr als tiefe Töne. Wenn wir also hohe Töne
besser hören, wird das Gehirn mehr stimuliert und wir haben mehr Energie .
Tomatis sagt es so: Ohren sind wie Dynamos.
Ein anderer
überraschender Nebeneffekt ist, daß sich die motorischen Fähigkeiten
verbessern. Für Tomatis war das keine
Überraschung, weil die Wechselschaltung auch den Teil des Ohrs stimuliert, der
unsere Bewegungen reguliert ( das Gleichgewichtsorgan), und wenn das Ohr
„normalisiert“ ist, verbessern sich auch die motorischen Fähigkeiten ( einen
Ball fangen, Fahrradfahren, aufrechtes Stehen etc. )
|
Hören
mit dem Körper |
Als Hals-Nasen-Ohrenarzt wußte Tomatis,
daß wir nicht nur mit unseren Ohren hören, sondern auch mit dem Körper. Unsere
Knochen sind extrem gute Schalleiter. Sie können das an sich selbst testen,
indem Sie eine klingende Stimmgabel oben auf Ihren Kopf setzen. Sie können den
Ton hören, als wenn er durch die Ohren kommen würde. Also beschäftigte er sich
mit beiden Arten des Hörens. Dieses führte zu einer ganz neuen Theorie um zu
erklären, wie Geräusche in das Innenohr gelangen:
| Geräusche, die über das Ohr
ankommen, werden vom Mittelohr moduliert. Manche Töne
werden verstärkt, andere werden in den Hintergrund
gedrängt. Das Ohr verhält sich wie ein „Türsteher“. Dieses macht es uns
möglich, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren. |
|
|
| Geräusche, die von den
Knochen aufgenommen werden, gehen direkt in das Innenohr,
ohne das Mittelohr mit seinem “Türsteher“ zu passieren. Dann sind
Hintergrundgeräusche und die Stimme des Lehrers gleich laut, und damit
ist es unmöglich, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
|
|
Um gut zu lernen, müssen wir unsere
Aufmerksamkeit ausrichten können. Dieses ist nicht möglich, wenn wir über die
Knochenleitung hören. Um also unsere Konzentrationsfähigkeit zu verbessern (und
damit besser zu lernen), müssen wir unsere Knochenleitung desensibilisieren.
Also stattete er das elektronische Ohr mit einem Kanal für die Knochenleitung
aus und plazierte einen Vibrator auf die Schädeldecke, um zu testen, welchen
Einfluß dieses auf die Art und Weise hatte, wie Menschen hören. Er fand heraus,
daß dieses die Knochenleitung desensibilisierte und die Menschen verstärkt mit
ihren Ohren hörten. Verhaltensauffälligkeiten wurden
weniger und die Schulleitungen verbesserten sich.
|
Welche Probleme hat Tomatis behandelt ? |
Die Tomatis-Horchherapie hat Kindern und
Erwachsenen mit Hörwahrnehmungs- und Verarbeitungsstörungen geholfen, mit
Dyslexie, Lernschwierigkeiten, Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom, Autismus,
Problemen der sensorischen Integration und motorischen Entwicklung. Sie hat
außerdem Erwachsenen geholfen, Depressionen zu überwinden, Fremdsprachen
schneller zu lernen, ihre kommunikativen Fähigkeiten und sowohl ihre kreativen
Seiten als auch ihre beruflichen Erfolge zu verbessern. Viele Musiker, Sänger
und Schauspieler fanden die Methode hilfreich, um ihre künstlerischen
Fähigkeiten zu verfeinern.
Die
Arbeit von Tomatis hat unser Verständnis von der Funktion unserer Ohren in
unserem Alltagsleben revolutioniert. Ihm verdanken viele tausend Menschen
ein reicheres und erfüllteres Leben. |
Finden Sie mehr heraus. Schauen Sie sich den Rest unserer Seite an!
|